Stellungnahme des VCA e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG)

Vorbemerkung

Im Verband der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. (VCA) ist ein Großteil aller Cannabis versorgenden Apotheken in Deutschland vertreten. Wir versorgen sicher und zuverlässig ca. 80.000 GKV- Patientinnen und Patienten, sowie ca. 120.000 PKV Patienten und Selbstzahler in Deutschland mit qualitativ hochwertigen Fertigarzneimitteln, sowie in den Apotheken hergestellten Cannabisarzneimitteln in Form von Cannabis als Blüten, Extrakten in standardisierter Qualität sowie individuellen Zubereitungen mit den Wirkstoffen Dronabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Wir setzen uns dafür ein, dass der Zugang zu einer verlässlichen medizinischen und pharmazeutischen Versorgung mit patientenindividuellen Cannabisarzneimitteln auch in Zukunft nicht nur gewährleistet, sondern auch spürbar entbürokratisiert wird.


Im Rahmen der Verbändeanhörung nimmt der VCA im Folgenden zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) Stellung.


Bitte beachten Sie dabei auch den unten anhängenden Regelungsvorschlag für den CBD-Markt, ohne den in diesem Bereich weiterer Wildwuchs zu erwarten ist.

Grundsätzliches

Insgesamt geht der Entwurf an vielen Stellen in die richtige Richtung und schafft Erleichterungen für die Versorgung mit Medizinalcannabis. Der VCA begrüßt insbesondere die Herausnahme von Cannabis zu medizinischen Zwecken aus dem BtMG (Betäubungsmittelgesetz) und die damit einhergehenden Erleichterungen durch den Wegfall von Anforderungen an Dokumentation und Lagerung, sofern sichergestellt ist, dass den Apotheken über die typische Rezeptkontrolle hinaus keine weiteren Dokumentationspflichten auferlegt werden.


Versäumt wurde allerdings eine klare begriffliche Trennung zwischen

  1. Cannabispflanze (übergreifende Kategorie)
  2. Genusscannabis / Freizeitcannabis
  3. Medizinalcannabis / Cannabis zu medizinischen Zwecken

Problematisch ist, dass die zweite Kategorie nicht definiert wurde, und stattdessen weitreichende Passagen des Gesetzes sich nur auf “Cannabis” beziehen, was eine Abtrennung der sprachlichen Verwendung von “Cannabis” in der Aufklärung und im öffentlichen Diskurs von der gesetzlichen Definition zur Folge hat. Politik, Ärzte- und Apothekerschaft sowie Verbraucherinnen und Verbraucher werden unter “Cannabis” weiterhin die Cannabispflanze verstehen, während das Gesetz damit in den meisten Fällen Genusscannabis meint. Damit werden viele im öffentlichen Raum verwendete Bezüge zu “Cannabis” fälschlicherweise auch Medizinalcannabis erfassen, weil die im Gesetz vorgenommene juristische Differenzierung sprachlich nicht wiedergegeben wird. Eine geeignete Aufklärung darüber, dass Genusscannabis nicht für medizinische Zwecke geeignet ist, wird zum Beispiel stark erschwert, denn nach dem Wortlaut des Gesetzes müsste es widersinnig heißen “Cannabis (nach Definition des Gesetzes, also eigentlich Genusscannabis) ist nicht zu medizinischen Zwecken geeignet.” Eine scharfe Trennung von “Cannabis zu medizinischen Zwecken” von “Cannabis” (= Genusscannabis) ist für die Gesundheitsförderung und den öffentlichen Diskurs allerdings sehr wichtig. Der VCA hat in seinen nachstehenden Vorschlägen den sprachlichen Spagat auf Grundlage der Definitionen des Referentenentwurfs nachvollzogen, regt allerdings dringend an, die oben beschriebene Problematik durch eine klarere Definition vorzunehmen, die zwischen der Cannabispflanze, Genusscannabis und Medizinalcannabis unterscheidet.

Stellungnahme


Artikel 1 (CanAnbauG)

Gesetz zum privaten und zum gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken (Cannabisanbaugesetz – CanAnbauG)

Zu § 8, Suchtprävention (1)

Der VCA fordert eine grundsätzliche staatliche Aufklärung, die darauf hinwirkt, dass der Heimanbau und die medizinisch unbegleitete Selbstmedikation viele Gesundheitsrisiken bergen und keine geeignete Behandlungsalternative darstellen. Konkret fordert der VCA die Ergänzung von Punkt 4. wie folgt: “4. berät und informiert zielgruppenspezifisch Konsumentinnen und Konsumenten von Cannabis zu Präventionsmaßnahmen, zur Wirkung, potenziellen Wechselwirkungen mit Arzneimitteln, zu den Risiken und zur risikoreduzierten Nutzung von Cannabis sowie zu den Möglichkeiten einer weitergehenden wohnortnahen Beratung oder Hilfe, sowie dass Cannabis von Anbauvereinigungen oder aus Eigenanbau für medizinische Zwecke ungeeignet ist und Patientinnen und Patienten bei ihrer Ärztin, ihrem Arzt oder in ihrer Apotheke Rat erhalten.”


Zu § 12 Genehmigung zur Einfuhr und Ausfuhr

Derzeit ist die Einfuhr von medizinischem Cannabis in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Dies führt zum Teil zu Wettbewerbsverzerrungen und unterschiedlichen Anforderungen an die eingeführte Ware. Wegen dieser nicht einheitlichen Verwaltungspraxis und widersprüchlichen Rechtsprechung, insbesondere bezüglich der Einstufung, erscheinen Klarstellungen dringend notwendig.

vgl. hierzu: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2021/daz-7-2021/ausgangsstoff-oder-arzneimittel

  • Bei (importierten) Cannabisblüten mit der Zweckbestimmung der Abgabe als medizinisches Cannabis in Apotheken an Patientinnen und Patienten besteht besonderer Regelungsbedarf, da große Unterschiede zwischen den verschiedenen zuständigen Behörden der Länder und der Cannabisagentur bestehen. Hierbei sollte abschließend und bundeseinheitlich geregelt werden, dass diese Produkte als Arzneimittel (im Sinne der AMWHV) definiert werden.

Der VCA regt eine bundeseinheitliche Regelung der Einfuhr der zur Inhalation bestimmten Blüten als Arzneimittel im Sinne der AMWHV an. Hierbei gilt der GMP-Teil I für medizinisches Cannabis. Bei der Weiterverarbeitung der Blüten zu Extrakten gelten die Blüten als Wirkstoff. Dies würde dann den Regeln des GMP-Teil II folgen.


Zu § 21, Maßnahmen des Gesundheitsschutzes bei der Weitergabe von Cannabis und Vermehrungsmaterial (3)

Der VCA fordert, dass die Anbauvereinigungen bei der Abgabe von Cannabis über die mangelnde Eignung für medizinische Zwecke aufklären. Konkret schlagen wir vor unter (3) einen Spiegelstrich hinzuzufügen: “Auf den Verpackungen und Informationsbeilagen sind Warnhinweise hervorzuheben, die darüber aufklären, dass Cannabis von Anbauvereinigungen oder aus Eigenanbau für medizinische Zwecke ungeeignet ist und Patientinnen und Patienten bei ihrer Ärztin, ihrem Arzt oder in ihrer Apotheke Rat erhalten.

Artikel 2 (MedCanG)

Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (Medizinal-Cannabisgesetz – MedCanG)


Zu § 2 Begriffsbestimmungen


Im Sinne der eingangs erörterten Notwendigkeit zur klaren Differenzierung zwischen Cannabis zu medizinischen Zwecken und Genusscannabis, aber auch zum Gesundheitsschutz von Patientinnen und Patienten, die Medizinalcannabis inhalieren, fordert der VCA eine klarere Begriffsbestimmung von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Desweiteren schließen wir uns der Meinung der ABDA an, den derzeit verwendeten Begriff des Beipackzettels im Cannabisanbaugesetz (CanAnbauG) zu ersetzen mit dem Begriff der Informationsbeilage. Es könnte ansonsten zu Verwechslungen kommen, da die Packungsbeilage von Arzneimitteln umgangssprachlich als Beipackzettel bezeichnet wird. Dies könnte bei Konsumenten und Konsumentinnen des Genussmittels Cannabis den Eindruck eines medizinischen Nutzen erwecken.

https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Stellungnahmen/2023/20230724-ABDA-Stellungn-RefE_CanG.pdf


Eine hohe mikrobiologische Belastung ist für schwerkranke Patient:innen nicht zumutbar, weswegen die Qualität der Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken festgelegt werden muss. Einer Studie zufolge wird durch die zumeist inhalative Anwendung durch Vaporisation keine Verringerung der mikrobiologischen Belastung erzielt, wodurch der direkte Eintrag in Lunge und Atemwege mit einem hohen Risiko verbunden ist. Deswegen sollte zum Schutz der Patient:innen mindestens die Kategorie B der Ph. Eur. Monographie 5.1.8. „Mikrobiologische Qualität von pflanzlichen Arzneimitteln zum Einnehmen und von Extrakten zu deren Herstellung‘‘ eingehalten werden. Zudem müssen Cannabisblüten den Anforderungen der allgemeinen Ph. Eur.-Methode „Bestimmung von Aflatoxin B1 in pflanzlichen Drogen (2.8.18)“ entsprechen. Aflatoxine werden von Schimmelpilzarten gebildet und können das Immunsystem schwächen, Krebserkrankungen erzeugen, das zentrale Nervensystem angreifen und die Leber schädigen.


Der für Inhalationspräparate geltende Arzneibuchstandard Ph. Eur. 5.1.8. B, der auch für Hersteller in Deutschland vorgeschrieben ist, wird derzeit noch von einigen Importeuren unterlaufen. Ebenso bieten manche Hersteller ihre Produkte nur kurzzeitig und oft mit Angabe nicht-medizinischer Kultivarnamen (“Strains”) am Markt an, was dem Grundsatz der Therapie von Ärztinnen und Ärzten und ihren oft langfristig eingestellten Patientinnen und Patienten widerspricht.


Der VCA fordert daher, dass nur wirklich für den medizinischen Einsatz sinnvolle Produkte, die langfristig verfügbar, hochstandardisiert und mindestens nach dem Arzneibuchstandard Ph. Eur. 5.1.8. B hergestellt wurden, als Medizin definiert und verschrieben werden dürfen. Entsprechend ist § 2,1 wie folgt zu ergänzen:


“Cannabis zu medizinischen Zwecken: Pflanzen, Blüten und sonstige Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen, die aus einem Anbau stammen, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Absatz 1 des Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl. II S. 111) erfolgt, die ferner mindestens den Qualitätsvorschriften der Europäischen Arzneibuch Monographie Ph. Eur. 5.1.8. B entsprechen und vom Hersteller für mindestens 24 Monate ab erster Vermarktung in unveränderter Beschaffenheit angeboten werden, sowie die in der Pflanze vorkommenden Inhaltsstoffe nach Nummer 2 und 3 und die Zubereitungen aller vorgenannten Stoffe.”

Zu § 3, Abgabe und Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken

Der VCA unterstützt ausdrücklich, dass Cannabis zu medizinischen Zwecken weiterhin nur von Apotheken abgegeben werden darf, da diese aufgrund apothekenrechtlicher Vorschriften umfassend überwacht werden und die entsprechende Sachkunde im Umgang mit Arzneimitteln und Suchtstoffen nachgewiesen haben.


Die Erstattung von Medizinalcannabis gemäß § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V erfordert die Zustimmung der gesetzlichen Krankenkassen. Dieser Prozess ist äußerst bürokratisch. Die Entscheidungskriterien für die Genehmigung sind unklar, einschließlich der Definition von "schwerwiegenden Erkrankungen" und des Status der Patientinnen und Patienten als “austherapiert”. Dies führt zu Unsicherheiten, behindert den Zugang zu medizinischem Cannabis und erhöht den bürokratischen Mehraufwand durch Widerspruchs- und Gerichtsverfahren. Besonders problematisch ist die implizite Nachrangigkeit der Verordnung und Erstattung von getrockneten Cannabisblüten für die inhalative Anwendung. Die schnelle Wirkstoffaufnahme durch Inhalation ist für viele Anwendungen erforderlich, die durch andere cannabinoidhaltige Fertigarzneimittel oder orale Cannabisextrakte nicht erreicht werden kann. Viele Patientinnen und Patienten müssen ihre Cannabistherapie aufgrund hoher Ablehnungsquoten der gesetzlichen Krankenkassen selbst finanzieren. Das führt bei chronischen Erkrankungen zu Problemen, und treibt Patientinnen und Patienten in die weniger bürokratisch erreichbare medizinisch unbegleitete Selbstmedikation mit Freizeitcannabis. Eine fachkundige Begleitung durch medizinisches und pharmazeutisches Personal ist bei der Cannabistherapie allerdings essenziell.


Um diesen Ungleichgewichten entgegenzuwirken und Hürden abzubauen, fordert der VCA die Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts der Krankenkassen für die Kostenübernahme von ärztlich verordneten Therapien mit Cannabisarzneimitteln bei gleichzeitigem Regressschutz für Ärztinnen und Ärzte.


Die Regierung hat jüngst mit dem Wegfall des Genehmigungsvorbehalts für bestimmte Facharztgruppen (Auftrag an den G-BA zur Erstellung einer entsprechenden Liste) die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis dort beschleunigt, wo Missbrauch sehr unwahrscheinlich ist. Dies sehen wir sehr kritisch, da es schon jetzt im deutschen Gesundheitssystem generell sehr schwer ist, zeitnahe Facharzttermine zu erhalten und oft nur mit Wartelisten gearbeitet wird. Die Möglichkeit eines erleichterten Zugangs zu einer Cannabistherapie durch ausgewählte Fachärzte würde demnach lange Wartezeiten für kranke Menschen mit sich bringen. Daher fordern wir, bei der Auswahl von Ärztinnen und Ärzten nicht die Fachrichtung in Verbindung mit einer entsprechenden Qualifikation festzulegen, sondern sich rein auf die Qualifikation der Verordnenden zu fokussieren. Dies hätte den Vorteil, dass auch bereits erfahrene und somit qualifizierte Allgemeinmediziner Patientinnen und Patienten mit Medizinalcannabis versorgen könnten.


Der VCA schlägt konkret vor, den folgenden Punkt unter § 3 Abgabe und Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken zu ergänzen: “(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt einen Standard für die Qualifikation von Ärztinnen und Ärzten fest, welcher durch das Bestehen einer Prüfung nachzuweisen ist, bei denen jeweils der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen bei der erstmaligen Verordnung von Cannabis entfällt.

In Deutschland sind aktuell die einzelnen Bundesländer für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln zuständig. Durch die föderale Vielfalt sind die Zuständigkeiten dabei von Land zu Land sehr unterschiedlich. Das ist für Apotheken im Bereich der Identitätsprüfung von Rezepturausgangsstoffen insbesondere problematisch, da teils sogar auf Kreisebene unterschiedliche Anforderungen an die Art der Durchführung dieser Prüfungen von der zuständigen Aufsichtsperson gestellt werden. Durch eine bundesweite Vereinheitlichung der Anforderungen an die Identitätsprüfung könnte die flächendeckende Versorgung der Patientinnen und Patienten gestärkt werden, da sich bislang noch zu viele Apotheken von dem mit der Herstellung von Cannabisrezepturarzneimitteln verbundenen Kosten- und Zeitaufwand abschrecken lassen. Wir fordern daher für die Identitätsprüfung von Ausgangsstoffen für die Herstellung von Medizinalcannabisrezepturen deutschlandweit einheitlich die Zulassung von validierten THC- und CBD-Schnelltests, die völlig ausreichend sind, um die Identität zu prüfen und die zeit- und kostenintensivere Testung mittels Dünnschichtchromatographie zu ersetzen.


Unter § 3, Abgabe und Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken sollte daher folgender Abschnitt eingefügt werden: Es wird eine bundesweit einheitliche Regelung für die Identitätsprüfung von Ausgangsstoffen für Medizinalcannabisrezepturen in Apotheken eingeführt. Hierzu werden validierte THC- und CBD-Schnelltests zugelassen. Diese Schnelltests werden die zeit- und kostenaufwendigeren Tests mittels Dünnschichtchromatographie ersetzen.


(1) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird beauftragt, validierte THC- und CBD-Schnelltests zur Identitätsprüfung von Ausgangsstoffen für Medizinalcannabisrezepturen zuzulassen und entsprechende Vorschriften zu erlassen.


(2) Die zugelassenen Schnelltests müssen den geltenden wissenschaftlichen Standards entsprechen und eine zuverlässige Identitätsprüfung gewährleisten. Die Zulassung der Schnelltests ist vom BfArM in einer öffentlich zugänglichen Liste zu veröffentlichen.

Zu § 4, Erlaubnispflicht

Der Gesetzgeber und Regulierungsbehörden haben wiederholt die lückenhafte Forschungslage zu Cannabis als Medizin beklagt. Gleichzeitig lassen sich auf Pflanzen keine Patente erwirken und die Unternehmen im Bereich Medizinalcannabis haben lange nicht die Größe und Entwicklung erreicht, die für Studien vergleichbar mit denen der etablierten forschenden Pharmakonzerne nötig wären. Da diese Lücke seit 2017 nicht geschlossen werden konnte und auf absehbare Zeit durch marktwirtschaftliche Strukturen nicht geschlossen werden wird, ist es im Interesse der öffentlichen Gesundheit, die staatliche Forschungsförderung zu Medizinalcannabis deutlich auszubauen - dieser Ansatz fehlt bisher im Gesetzentwurf.


Der VCA fordert daher eine gezielte öffentliche Forschungsförderung für die Anwendungsmöglichkeiten von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Im Kapitel 3 Erlaubnis und Genehmigung; Binnenhandel § 4 Erlaubnispflicht zu Punkt 2 “Eine Erlaubnis für Cannabis zu medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen.” sind die Worte “nur ausnahmsweise” zu streichen.


Ferner sind folgende Fördermaßnahmen nach Punkt 2 zu ergänzen:

(1) Einrichtung eines nationalen Förderprogramms durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesministerium für Gesundheit für die Grundlagen- und Wirkungs- und Nebenwirkungsforschung von Cannabis zu medizinischen Zwecken

(2) Stärkung von Grundlagen- und Versorgungsforschung durch erleichterten Zugang zu Daten (Routinedaten, Studiendaten, Registerdaten) unter Mitwirkung von Ärzten und Apotheken bei angemessener Aufwandsentschädigung

(3) Schaffung eines nationalen, staatlich geförderten Kompetenzzentrums für Cannabis zu medizinischen Zwecken, um den Informations- und Datenaustausch relevanter Akteure und die internationale Kooperation bestehender Fachgesellschaften und Forschungsgruppen in diesem Bereich zu fördern.


Zu § 24, Kinder- und Jugendschutz im öffentlichen Raum

Cannabispatientinnen und -patienten dürfen nicht mit Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten für den Freizeitgebrauch (oder gar Rauchern) gleichgesetzt werden. Zum Kinder- und Jugendschutz sollte differenziert werden zwischen Genusscannabis und Medizinalcannabis. Die Anwendung von Medizinalcannabis, auch im öffentlichen Raum, muss zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Therapie der Patientinnen und Patienten jederzeit gewährleistet sein. Der VCA fordert daher die Streichung des § 24 in seinem Wortlaut “§ 5 Absatz 2 des Cannabisanbaugesetzes gilt entsprechend, wenn Cannabis zu medizinischen Zwecken im öffentlichen Raum mittels Inhalation angewendet wird.


Artikel 3 Änderung des Betäubungsmittelgesetzes

Der VCA begrüßt, dass Medizinalcannabis aus dem Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes herausgenommen wird. Die möglichen Risiken von Medizinalcannabis, die im Rahmen einer ärztlich verordneten Therapie angenommen werden können, rechtfertigen keine Einstufung als Betäubungsmittel. Dieser Schritt wird zur Entstigmatisierung der medizinischen Anwendung von Cannabis führen und den administrativen Aufwand für Ärztinnen und Ärzte sowie Apotheken wesentlich reduzieren.


Vorschlag zur Marktregulierung von CBD – im Rahmen des CanG

Problem:

Cannabidol (CBD) wird trotz eindeutig arzneimitteltypischer Eigenschaften (vgl. https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/04_AntragstellerUnternehmen/13_FAQ/FAQ_Hanf_THC_CBD/FAQ_Cannabidiol_node.html) in Form diverser Lebensmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel in Europa und damit auch in Deutschland vertrieben. Der Vertrieb erfolgt hauptsächlich über Onlineshops außerhalb des etablierten, regulierten und überwachten Vertriebs über Apotheken bzw. des pharmazeutischen Großhandels. Im Widerspruch dazu ist CBD seit dem 1. Oktober 2016 der Verschreibungspflicht (Arzneimittelverschreibungsverordnung vom 21. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3632), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 27. September 2016 geändert worden ist) unterstellt.


Daraus ergeben sich verschiedene Probleme und Fragestellungen:

1. Patientinnen und Patienten können von CBD-Wirkungen therapeutisch profitieren, haben aber derzeit nur zwei Möglichkeiten CBD-Produkte zu erwerben und nur eine, diese zweckbestimmt therapeutisch einzusetzen:

a. Verschreibungspflichtige Rezeptur: Ölige Cannabidiol-Lösung nach NRF 22.10

b. Diverse Produkte in Form von Nahrungsergänzungsmittel (NEM), “Mundkosmetika“ oder Aromaölen aus dem nicht bzw. nur schwer kontrollierbaren In- und Ausland

2. Durch den erschwerten, zweckbestimmten therapeutischen Zugang zu 1.a ergibt sich ein Ausweichen von eigentlichen Patientinnen und Patienten auf die Produkte aus 1.b, was mit einer Gefährdung der Konsumierenden einhergeht, weil die medizinische Qualität und Beratung dabei nicht gewährleistet ist.

Marktregelungsvorschlag

Für eine saubere Regelung des Marktes, ausreichenden Gesundheitsschutz und einen klaren Umgang der Apotheken mit CBD-Produkten empfiehlt sich eine Einteilung in die folgenden 3 Kategorien:


1. Freiverkäuflich – NEM / LM / Kosmetika / o. ä. - mit niedrigen Grenzwerten:

CBD-Gehalt ≤ 1,0 %
THC-Gehalt < 0,3 %

Begründung:

a. Lebensmittel müssen sicher sein

b. Zu große Verzehrmengen – absichtlich/unabsichtlich – bei größeren CBD- und/oder bei schon geringen THC-Konzentrationen sind risikobehaftet und ggf. toxisch

c. Hemmschwelle bzgl. Erwerb und Nutzung bei dieser Produktkategorie am niedrigsten vs. potente und per se verschreibungspflichtige Arzneistoffe

d. Keine qualifizierte Beratung, Dokumentation am POS (point of sale)

2. Apothekenpflichtig - Rezeptur-/ Defektur-AM (= „OTC“) - mittlere Grenzwerte

CBD-Gehalt > 1,0 kleiner ≤ 10,0 %
THC-Gehalt < 0,3 %

Begründung:

a. Arzneibuch-Qualität

b. Qualifizierte Beratung durch pharmazeutisches Personal am POS

c. Niederschwelliger Zugang, aber mit Fachberatung

d. Hinweis auf UAW und IA

3. Verschreibungspflichtig - Rezeptur-/ Defektur-AM:

CBD-Gehalt > 10,0 %
THC-Gehalt > 0,3 %

Begründung:

a. Arzneibuch-Qualität

b. ärztliche Überwachung

c. Qualifizierte Beratung durch pharmazeutisches Personal am POS

d. Hinweis auf UAW und IA

e. erstattungsfähig


Oberhausen, 24.07.2023