Offener Brief: Verbändeübergreifender Appell zum Schutz des Medizinalcannabis

Sehr geehrter Herr Blienert,

wir, acht Verbände aus der Patientenschaft, Ärzteschaft, Apothekerschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, befürchten negative Folgen für Patient:innen, sollte parallel zur Legalisierung von Cannabis als Genussmittel die Versorgung der Bevölkerung mit medizinischem Cannabis nicht besonders geschützt und reformiert werden. Die Politik darf die Bedürfnisse der Patient:innen nicht aus den Augen verlieren. Bürger:innen brauchen einen verlässlichen Zugang zu medizinischem Cannabis in pharmazeutischer Qualität und dürfen für die Behandlung medizinischer Symptome nicht in die Eigentherapie mit Produkten des Genussmittelmarktes oder aus eigenem Anbau gedrängt werden. Die aktuellen politischen Bestrebungen müssen vielmehr genutzt werden, die nach wie vor bestehenden Hürden im Bereich Medizinalcannabis abzubauen, sodass fünf Jahre nach Einführung des “Cannabis als Medizin”-Gesetzes die Versorgung von Patient:innen nachhaltig verbessert werden kann.

Gegenwärtig werden immer noch viele Patient:innen in die Illegalität getrieben oder sogar strafrechtlich verfolgt. Infolge der hohen Ablehnungsquote der Kostenübernahmeanträge seitens der Krankenkassen hat sich ein florierender Markt von Privatärzt:innen entwickelt. Für Patient:innen ist dies mit hohen Kosten verbunden, die sich viele nicht leisten können.

Um eine adäquate Beratung und Begleitung von Patient:innen zu gewährleisten, muss der Zugang zur Therapie für Patient:innen vereinfacht und der Medizinalcannabismarkt nachhaltig gesichert werden. Auch bei der Behandlung mit medizinischem Cannabis muss der Grundsatz der ärztlichen Therapiehoheit gelten. Hierfür ist es unbedingt notwendig, die bestehenden Verschreibungshürden abzubauen. Der bestehende Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen verhindert für tausende Patient:innen den Zugang zu dringend benötigten Therapien. Nur durch die Abschaffung des Genehmigungsvorbehaltes kann sichergestellt werden, dass die finanzielle Situation von Patient:innen nicht über die Möglichkeiten einer Therapie bestimmt. Das wäre der wirksame und folgerichtige Schritt zur Versorgungsgerechtigkeit.

Viele Patient:innengruppen sind auf den schnellen Wirkeintritt der inhalativen Einnahme von Cannabisblüten bei u.a. Schmerzspitzen und Spastiken angewiesen. Aus diesen konkreten und greifbaren medizinischen Indikationen müssen daher auch künftig unterschiedliche Anwendungsformen und Zusammensetzungen der cannabisbasierten Therapie erhalten bleiben.

Mit der Etablierung eines Genussmittelmarktes für Cannabis darf die Versorgung von Patient:innen unter keinen Umständen gefährdet werden. Daher muss die Versorgung mit medizinischem Cannabis immer Priorität haben. Nur so ist die ausreichende Versorgung mit qualitätsgesicherten Produkten weiterhin gewährleistet.

Der therapeutische Nutzen cannabisbasierter Arzneimittel ist bei einer Vielzahl unterschiedlicher Indikationen unbestritten. Dennoch bedarf es weiterer Forschung, um das medizinische Potenzial weiter zu untersuchen und besser zu verstehen. Aus diesem Grund muss die klinische Forschung zu Medizinalcannabis stärker gefördert werden.

Die Behandlung mit Medizinalcannabis muss als fester Bestandteil in die medizinische und pharmazeutische Lehre aufgenommen werden, um Ärzt:innen und Apotheker:innen das erforderliche Wissen zu vermitteln und dadurch Patient:innen den Zugang zu medizinischem Cannabis zu ermöglichen.

Patient:innen im Fokus: Wir setzen uns für die Versorgung mit medizinischem Cannabis ein!

Sehr geehrter Herr Blienert,

die acht Verbände haben hierzu ein gemeinsames Positionspapierentwickelt, das Sie im Anhang finden. Wir appellieren an Sie, sich entlang der politischen Forderungen dieses Papiers für die Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung mit Cannabisarzneimitteln einzusetzen. Gerne treten wir gemeinsam mit Ihnen in einen konstruktiven Dialog zu Details der Reform!

Mit freundlichen Grüßen

Die Unterzeichnerverbände