Berlin, 17.03.2023: “Die intensive Befassung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und die gestrige Entscheidung zur Arzneimittelrichtlinie bezüglich Medizinalcannabis zeigen, wie relevant eine sichere Versorgung von Patient:innen ist, aber auch welche Komplexität das Thema aufweist. Wir rufen den Gesetzgeber und die Bundesregierung auf, für Rechts- und Versorgungssicherheit für die Patient:innen zu sorgen, indem das “Cannabis als Medizin”-Gesetz noch in diesem Jahr überarbeitet wird”, so das erste gemeinsame Fazit von Fachverbänden von Patient:innen, Ärzt:innen, Apotheker:innen und der Cannabiswirtschaft auf die Ergebnisse der Sitzung des G-BA am 16. März 2023.

Hierbei ist vor allem die explizite Orientierung am Gesetzestext hervorzuheben. Der Willen des Gesetzgebers war es, mit dem “Cannabis als Medizin”-Gesetz von 2017 den Zugang zu Medizinalcannabis für Patient:innen mit schwerwiegenden Erkrankungen möglichst unbürokratisch und gleichzeitig sicher zu gestalten. Dem hat der G-BA aus Sicht der Fachverbände Rechnung getragen.

Im Beschlusstext bleibt jedoch eine Formulierung unklar (§44 Abs. 2)¹. Während in der Sitzung des G-BA vermittelt wurde, dass der Einsatz von Cannabis als getrocknete Blüten und als standardisierte Extrakte nicht nachrangig zu behandeln ist, umfasst der finale Text nun eine generelle Nachrangigkeit in der Verordnung von Rezepturarzneimitteln im Vergleich zu cannabisbasierten Fertigarzneimitteln, welche nicht vom Gesetzgeber vorgesehen war. Dies wird zusätzlich durch den letzten Satz des Absatzes verschärft, der, trotz anderslautender Diskussion im Plenum, nur auf die Begründung für die Verordnung der Blüte abzielt. Eine Klarstellung ist hier notwendig, um in der Praxis keine zusätzlichen Hürden zu schaffen.

Im Vorfeld der gestrigen Sitzung wurde ein umfangreiches Anhörungsverfahren durchgeführt, welches nach den Worten des unparteiischen Vorsitzende Prof. Hecken sehr wertvoll war. Für die Möglichkeit der Beteiligung an diesem Verfahren und den professionellen Diskurs sind die Fachverbände sehr dankbar.

Es ist vor allem zu begrüßen, dass die Versorgung der Patient:innen zu jederzeit im Mittelpunkt der Diskussion gestanden hat und hier eine dem Gesetz entsprechende Regelung gefunden wurde.

Die Überarbeitung des Gesetzes ist nach sechs Jahren Erfahrung angebracht.

Gleichzeitig ist in diesem Prozess erneut deutlich geworden, dass nach sechs Jahren “Cannabis als Medizin” in Deutschland die gesetzlichen Regelungen großen Optimierungsbedarf aufweisen. So führt der Genehmigungsvorbehalt weiterhin zu Ablehnungsquoten von 30 – 40 %, obwohl das Gesetz Ablehnungen nur im Ausnahmefall vorsieht. Wir befürchten, dass die jetzt vorgelegte Arzneimittelrichtlinie nicht zu einer Entbürokratisierung für Patient:innen und Ärzt:innen führt, sondern auch durch zusätzlich geschaffene Unsicherheiten eher dem entgegen läuft.

Die Fachverbände haben sich am Stellungnahmeverfahren des G-BA intensiv eingebracht und stehen auch dem Gesetzgeber für Diskussionen zu einer Novellierung des Gesetzes jederzeit zur Verfügung. Konkrete Vorschläge erarbeiten die Verbände derzeit in einem gemeinsamen Positionspapier, welches innerhalb der nächsten Wochen veröffentlicht werden soll.

“Wir haben in den vergangenen sechs Jahren viel für schwerstkranke Patient:innen in Deutschland erreicht und haben einen beispielhaften rechtlichen Rahmen für den Zugang zu medizinischen Cannabis geschaffen, der weltweit einen Vorbildcharakter hat. Dies weiterzuentwickeln muss das gemeinsame Ziel von Politik, Patient:innen, Ärzt:innen, Apotheker:innen, Wissenschaft und Industrie sein.”

Den Beschluss des G-BA zum zukünftigen Umgang mit Cannabis als Medizin finden Sie hier.

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¹ § 44 Abs. 2: “Vor einer Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten ist zu prüfen, ob andere cannabishaltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen, die zur Behandlung geeignet sind. Die Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten ist zu begründen.”